Fagotti Parlandi – musikalische Beredsamkeit
Das Sextett aus Augsburg bot einen grandiosen Wechsel der Stilrichtungen in höchster Professionalität
- Donauwoerther Zeitung
- 28 Jul 2021
- VON ULRIKE HAMPPWEIGAND
Mertingen Wenn Fagotte erzählen könnten, dann würden sie berichten, wie mühsam ein Konzert in Trockenübungen ist. Wie wenig es inspiriert, ein Konzert vor dem Bildschirm zusammenzustellen, zu üben und zu perfektionieren. Wie wenig es anregt, sich das Publikum lediglich vorzustellen. Um dann wiederum mit beiden Beinen in Echtzeit zu springen und wieder als Ensemble Fagotti Parlandi vor vollem Haus einen großen Abend zu gestalten.
Beim Konzert in Mertingen haben all das die Musiker aufgrund ihrer künstlerischen Professionalität bravourös geschafft. Mit anfänglicher Nervosität, die immer mehr überwältigender Spielfreude und Spielwitz wich. Nicht zuletzt aufgrund des komödiantischen Talents ihres Spiritus Rectors, Karsten Nagel, Professor für Fagott am LeopoldMozart-Zentrum der Uni Augsburg.
Alle Mitglieder waren oder sind seine Studenten, alle glänzende Fagottisten: Raphael Sirch, Leonhard Kohler, Timm Kornelius, Marco Scidà und Johannes Stefaniak. Beeindruckend: die Vielfalt der Fagotte, die an der Wand lehnten, nebst Schlagzeug, Melodika oder E-Gitarre. Für Publikumsbeteiligung sorgte ein „Glücksrad“für Spaß: Wagemutige Zuhörer durften auf den Zufall als programmgestaltendes Element setzen.
Das Ensemble begann klassisch – gestoppt durch ein genervtes „nicht immer Klassik“–, um dann doch im Barockzeitalter dem höchst produktiven Komponisten, Georg Philip Telemann (der an die tausend Orchestersuiten und Kammermusikwerke komponiert hat), mit dem explizit für Fagott komponierten Quartett F-Dur für vier Fagotte dunkeltönend zu huldigen. Da die Musiker aber leichtfüßigen Esprit auf ihrer Reise durch die musikalische Welt zelebrieren wollten, folgte sogleich Antonio Vivaldi (der 39 Solokonzerte für das Barockfagott geschrieben hat) mit einem tänzerischen Ausschnitt aus den „Vier Jahreszeiten“. Grandios!
Abwechslung belebt: Ein Tango aus einem argentinischen Bordell setzte da so richtig einen Kontrapunkt. Die sechs Musiker sorgten mit ihren individuellen und originellen Ansagen für heiteres Wissen. Sechs Fagottisten umschmeichelten sozusagen eine Frau mit dem „Bassango“, gefolgt vom „Libertango“des berühmtesten argentinischen Tangokomponisten Astor Piazzolla. Umwerfende Melodik, hinreißende, schmeichelnde Klangfarben bezauberten.
Dann wurde vom Fußball erzählt, vielmehr, wie Ende des 19. Jahrhunderts ein amerikanischer Sportreporter einer neuen, kraftvollen Musikrichtung den Namen gab: „Jazz“und „My Way“von Frank Sinatra nebst Glenn Millers „Moonlight Serenade“tönten tatsächlich Big-Band-groß und umwerfend in farbiger Klangmalerei. Da war der Weg zur Popmusik nicht mehr weit. Der BeatlesSong „Yesterday“als meistgecoverter Song der Welt bewies es.
Nach Freddy Mercurys „Bohemian Rhapsody“in einer ebenso facettenreichen Darbietung samt E-Gitarre schaute das so kurzweilig und amüsant unterhaltene Publikum sogar in die „Abgründe“eines rappenden Fagottisten: Das war denn doch nur der Übergang zu Ennio Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“– mit einem „strohbehütet“schnarchenden Fagottisten-Haufen, jenem Melodica-Leitmotiv, und jener Ohrwurm-Filmmelodie einschließlich des finalen Schusses für den Spieler: eine sehr komische, sehr unterhaltsame Minioper. Womit das Programm dann doch wieder bei grandios gespielter Opernmusik ankam: bei der dunkel getönten „Zauberflöten-Ouvertüre“. Wolfgang Amadeus Mozart hat sie – doch äußerst virtuos schon mit 18 Jahren – für Fagott komponiert, die reichen Klangfarben auslotend: ein Tonumfang von drei Oktaven, rasche Registerwechsel zwischen hellen und sonoren tiefen Tönen.
Die Fagottisten brillierten weiter: im „Brindisi“, dem Trinklied aus Guiseppe Verdis „La Traviata“, und mit Prinz Kalaf aus Giacomo Puccinis „Turandot“, „Nessun dorma“.
Köstlich und überraschend, weil auch so herrlich „krachert“, zog dann mit einem Oberkrainer PolkaGalopp Volkstümliches ein. Und mit dem Vokaleinsatz „Da drunten im Tale“folgte wehmütig eines der schönsten Volkslieder.
Dieser emotionale Höhepunkt wurde freilich gleich wieder nivelliert mit einem höchst kunstvoll gespielten „Bolero“von Maurice Ravel. Den Rhythmus schlug perfekt Karsten Nagel. Ob nun Konzert oder schon Zugaben – das ließ sich nicht mehr so richtig einordnen, zauberten die sechs Fagottisten dann Johannes Brahms „Guten Abend, gut’ Nacht. Und „Pink Panther“setzte den Schlusspunkt. Jubel, schiere Begeisterung waren verdienter Lohn für dieses kurzweilige, dabei höchst anspruchsvolle Konzert!