"Toller Schwaben-Streich"
- Oberstdorfer Musiksommer
- 29 Jul 2024
- Text: Christoph Pfister
„Fagotti Parlandi“ entern als schräge Cowboys das Oberstdorf-Haus und adaptieren für ihr Instrument mit Esprit und Spielfreude Musik von der Klassik bis zum Schlager. Von Christoph Pfister Oberstdorf „Die Fagottbläser sind gutmüthig, äußerlich scheinbar lichtscheu, aber originell und wunderlich…“ typisiert die Neue Musik-Zeitung 1882. Wahrlich originell sind ein halbes Dutzend ihrer Nachfahren, das beim Oberstdorfer Musiksommer mit „sprechenden“ Fagotten wundern macht. Nicht nur des Aufzugs mit Hut und Hosenträger wegen, weiterem Outfit, das nach „lichtscheu“ aussieht.
„Fagotti Parlandi“ kitzelt mit Verve seine Rohrblätter, mischt im perfekt gebundenen, dabei dramaturgisch wirksam reibenden Zusammenspiel die mystischen Tonfolgen aus den Ahorn-Schallstücken zu farbenprächtigen, komplex „komponierten“ Klangbildern. Mit erstaunlichen Höhen, die man von der tiefen Stimme im Orchester nicht kennt, maximal ausgereiztem Tonumfang. Klangbilder, „stimmig“ in divergente Genres gerahmt. Schräge Cowboys entern das Oberstdorf-Haus mit dem „Lied vom Tod“ und schon knallt aus vollem Rohr, mit Hacke und Spitze, zackige Polka auf die Bühne. Dezent gesetztes, witzig pointiertes Schlagwerk gibt den Rhythmus vor. „Fagotti Parlandi“ schmelzen in Schlagern der Zwanziger so hinreißend dahin, dass der halbe Saal verzückt den „kleinen grünen Kaktus“ summt, sich wohlig an den fein jazzig-swingend gepulsten „guten Freund“ erinnert. Frank Sinatra kehrt einem emotionalen „My Way“ zurück, die bestens in Schwung und gute Laune versetzten Zuhörer grooven lustvoll mit im Jazz, schweben durch den Ballsaal … Und das alles nur, weil dem Sextett eine Solistin fehlt. Die angefragte Politik-Promi erscheint nicht zum Musiksommer und so gibt man(n) – empathischer Satzgesang eingeschlossen – wirklich alles, was eine Dame aus dem Publikum animieren könnte, die Fagottisten - schnöder Fördermittel wegen – zu verstärken. Ach ja, da sind Schwaben am Werk. Aus dem Leopold-Mozart-Zentrum Augsburg. Daher reklamiert man die legendären „Sieben Schwaben“ für sich. Hält fortlaufend Schwätzchen, weil das Ensemble schließlich „sprechende“ Fagotte verspricht. Derlei Entertainment mit humpelndem „running Gag“ erklärt das Ensemble letztlich selbst für überflüssig: Einer aus ihren Reihen übernimmt das Solo in Ravels „Bolero“. So virtuos, so klangrein, so treffend, dass gar die prägende Oboe d’amore der fünften Variation gespiegelt auf dem Fagott erscheint. „Wunderliche“ Klänge Stellvertretend für die spieltechnische Erhabenheit des musikantischen „Six-Packs“. Ein hochklassiges Ensemble mit Gespür, wie Musik sich auch deutlich jenseits ihrem „klassischen“ Instrument adaptieren, mit Esprit und Spielfreude interpretieren lässt. Selbst wenn ein paar Titel wie „Nessun dorma“ in fagott-spezifischer Manier „wunderlich“ klingen. Toller Schwaben-Streich. „Fagotti Spaßandi“.
"Eine fulminante musikalische Reise mit dem Fagottensemble"
- Augsburger Allgemeine
- 13.03.2023
- Text: Manfred Miller
Das Ensemble Fagotti Parlandi bot ein musikalisches Feuerwerk, angereichert mit humorvollen, ideenreichen schauspielerischen Einlagen, was beim Publikum Begeisterungsstürme auslöste.
Im Orchester hält es sich mehr im Hintergrund und macht gelegentlich durch ein Solo auf sich aufmerksam: das Fagott. Dass dieses Instrument nicht nur orchestral sondern in vielen verschiedenen Musikrichtungen einsatzbar ist, das bewiesen beim voll ausverkauften Rathauskonzert in Dinkelscherben die 6 Musiker Timm Kornelius, Raphael Sirch, Prof.Karsten Nagel, Johannes Stefaniak, Leonhard Kohler und Marco Scidá mit ihren Fagotten. Das ehemalige Hochschulensemble, von Prof.Karsten Nagel gegründet, entwickelte sich zu einem professionellen Ensemble , das mehrere Preise und Auszeichnungen erhielt und bereits über 200 Konzerte gab. Mit ihrem neuen Programm“ Die 6 Schwaben auf der Suche nach der 7“ begaben sich die Musiker mit viel Witz, unwiderstehlichem Charme und feinsinnigem Humor gemeinsam mit dem Publikum auf eine bunte Reise durch die Musikgeschichte, gespickt mit Stücken aus Klassik, Tango, Jazz und sogar einem selbst komponierten Rapp. Flott führte das Ensemble zu Beginn mit der Arie Papagenos aus der Zauberflöte in die Klassik ein. Prof. Karsten Nagel versprach einen besonderen musikalischen Abend, erklärte jedoch, dass man noch eine Frau in der Band brauche, weshalb er das Publikum direkt ansprach, ob sich nicht eine Frau als Sängerin zur Unterstützung finden würde. Dieser Appell blieb jedoch erfolglos. In einem danach folgenden Medley mit den Titeln „Ein kleiner grüner Kaktus“, „Muss denn Liebe Sünde sein“, Ein Freund ein guter Freund“, gelangen den Musikern unglaubliche Klangvarianten, kombiniert mit einfallsreicher Rhythmik, großer Spielfreude und emotionaler Energie.
Dass man mit dem Fagott durchaus auch bestechende Tango- oder Sambarhythmen erfolgreich spielen kann, machten die Musiker in beeindruckender Weise deutlich.
Nicht nur hier bewiesen sie unterschiedlich gestaltete musikalische Variationen, unterbrochen von humoristischen Schauspieleinlagen. Nach der Pause fielen bei „Spiel mir das Lied vom Tod“ tatsächlich einige Musiker leblos vom Hocker, erholten sich jedoch rasch bei der berühmten „Nessun dorma“ aus der Oper „Turandot“.
Einen deutlichen Kontrast dazu bildete ein Stück aus der Volksmusik, womit die Künstler die musikalisch stilistische Vielfalt des Fagottes unter Beweis stellten. Zwischendurch kamen auch Saxophon, Gitarre oder andere Schlaginstrumente zum Einsatz. Dass das Ensemble auch stimmlich präsent ist, wiesen sie in einem stark emotional gefärbten Liebeslied mit ihrem kraftvoll tönenden Solisten Prof. Nagel nach. Den Abschluss des Konzertes bildete „Guten Abend gute Nacht“ von Johannes Brahms, bei dem die Zuhörer spontan einstimmten. Ein restlos begeistertes Publikum bedankte sich beim Ensemble sowohl für die hervorragende musikalische Kompetenz, als auch für das abwechslungsreiche, humorvoll gestaltete Programm von Fagotti Parlandi, das sich mit dem Bolero von Ravel als Zugabe dafür bedankte.
"Fagotti Parlandi – musikalische Beredsamkeit"
- Donauwoerther Zeitung
- 28 Jul 2021
- Text: Ulrike Hamppweigand
Wenn Fagotte erzählen könnten, dann würden sie berichten, wie mühsam ein Konzert in Trockenübungen ist. Wie wenig es inspiriert, ein Konzert vor dem Bildschirm zusammenzustellen, zu üben und zu perfektionieren. Wie wenig es anregt, sich das Publikum lediglich vorzustellen. Um dann wiederum mit beiden Beinen in Echtzeit zu springen und wieder als Ensemble Fagotti Parlandi vor vollem Haus einen großen Abend zu gestalten.
Beim Konzert in Mertingen haben all das die Musiker aufgrund ihrer künstlerischen Professionalität bravourös geschafft. Mit anfänglicher Nervosität, die immer mehr überwältigender Spielfreude und Spielwitz wich. Nicht zuletzt aufgrund des komödiantischen Talents ihres Spiritus Rectors, Karsten Nagel, Professor für Fagott am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg.
Alle Mitglieder waren oder sind seine Studenten, alle glänzende Fagottisten: Raphael Sirch, Leonhard Kohler, Timm Kornelius, Marco Scidà und Johannes Stefaniak. Beeindruckend: die Vielfalt der Fagotte, die an der Wand lehnten, nebst Schlagzeug, Melodika oder E-Gitarre. Für Publikumsbeteiligung sorgte ein „Glücksrad“für Spaß: Wagemutige Zuhörer durften auf den Zufall als programmgestaltendes Element setzen.
Das Ensemble begann klassisch – gestoppt durch ein genervtes „nicht immer Klassik“–, um dann doch im Barockzeitalter dem höchst produktiven Komponisten, Georg Philip Telemann (der an die tausend Orchestersuiten und Kammermusikwerke komponiert hat), mit dem explizit für Fagott komponierten Quartett F-Dur für vier Fagotte dunkeltönend zu huldigen. Da die Musiker aber leichtfüßigen Esprit auf ihrer Reise durch die musikalische Welt zelebrieren wollten, folgte sogleich Antonio Vivaldi (der 39 Solokonzerte für das Barockfagott geschrieben hat) mit einem tänzerischen Ausschnitt aus den „Vier Jahreszeiten“. Grandios!
Abwechslung belebt: Ein Tango aus einem argentinischen Bordell setzte da so richtig einen Kontrapunkt. Die sechs Musiker sorgten mit ihren individuellen und originellen Ansagen für heiteres Wissen. Sechs Fagottisten umschmeichelten sozusagen eine Frau mit dem „Bassango“, gefolgt vom „Libertango“ des berühmtesten argentinischen Tangokomponisten Astor Piazzolla. Umwerfende Melodik, hinreißende, schmeichelnde Klangfarben bezauberten.
Dann wurde vom Football erzählt, vielmehr, wie Ende des 19. Jahrhunderts ein amerikanischer Sportreporter einer neuen, kraftvollen Musikrichtung den Namen gab: „Jazz“ und „My Way“ von Frank Sinatra nebst Glenn Millers „Moonlight Serenade“ tönten tatsächlich Big-Band-groß und umwerfend in farbiger Klangmalerei. Da war der Weg zur Popmusik nicht mehr weit. Der Beatles Song „Yesterday“ als meistgecoverter Song der Welt bewies es.
Nach Freddy Mercurys „Bohemian Rhapsody“ in einer ebenso facettenreichen Darbietung samt E-Gitarre schaute das so kurzweilig und amüsant unterhaltene Publikum sogar in die „Abgründe“ eines rappenden Fagottisten: Das war denn doch nur der Übergang zu Ennio Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“– mit einem „strohbehütet“ schnarchenden Fagottisten-Haufen, jenem Melodica-Leitmotiv, und jener Ohrwurm-Filmmelodie einschließlich des finalen Schusses für den Spieler: eine sehr komische, sehr unterhaltsame Minioper. Womit das Programm dann doch wieder bei grandios gespielter Opernmusik ankam: bei der dunkel getönten „Zauberflöten-Ouvertüre“. Wolfgang Amadeus Mozart hat sie – doch äußerst virtuos schon mit 18 Jahren – für Fagott komponiert, die reichen Klangfarben auslotend: ein Tonumfang von drei Oktaven, rasche Registerwechsel zwischen hellen und sonoren tiefen Tönen.
Die Fagottisten brillierten weiter: im „Brindisi“, dem Trinklied aus Guiseppe Verdis „La Traviata“, und mit Prinz Kalaf aus Giacomo Puccinis „Turandot“, „Nessun dorma“.
Köstlich und überraschend, weil auch so herrlich „krachert“, zog dann mit einem Oberkrainer PolkaGalopp Volkstümliches ein. Und mit dem Vokaleinsatz „Da drunten im Tale“ folgte wehmütig eines der schönsten Volkslieder.
Dieser emotionale Höhepunkt wurde freilich gleich wieder nivelliert mit einem höchst kunstvoll gespielten „Bolero“ von Maurice Ravel. Den Rhythmus schlug perfekt Karsten Nagel. Ob nun Konzert oder schon Zugaben – das ließ sich nicht mehr so richtig einordnen, zauberten die sechs Fagottisten dann Johannes Brahms „Guten Abend, gut’ Nacht" und „Pink Panther“setzte den Schlusspunkt. Jubel, schiere Begeisterung waren verdienter Lohn für dieses kurzweilige, dabei höchst anspruchsvolle Konzert!